Montag, 5. November 2012

Wortbilder

Mal mir Wortbilder hast du gesagt und ich nahm meinen roten Kugelschreiber in die Hand, meinen Notizblock und malte, malte endlose Landschaften voller Möglichkeiten und Bergen im Hintergrund, voller begonnener Bauwerke über die Wiesen verstreut, monumentale Fundamente, die wir alle hätten beenden können, die aber einfach zu groß angesetzt waren. Eine Hütte sehe ich nicht. Wenn es hier regnet wird man zwar nass, aber ich male schon weiter, der Stift wandert weiter, malt den offenen Weltraum und unendliche Zeit, Äonen, in denen sich eine Galaxie einfach nur um sich selbst dreht, wieder und wieder, bis es den Sternen schwindelt vor Bewegung und Energie , doch sie halten nicht an und auch mein Stift malt weiter, läuft über den weißen Raum auf dem eben noch die Schwärze des Alls war, übermalt das Schwarz mit rot, grün und blau, einem einzelnen Lichtstrahl, der sich an einem Atom spaltet, sich zerteilt, seine Teile in der Masse der Atome verliert und verschwindet, so wie jemand, den man einmal kannte und dann verlernte, jemand, der sich dann ein letztes Mal verabschiedet, um dann in der Menge auf dem Platz zu verschwimmen, traurig fast, doch ohne Zeit zu trauern male ich weiter, mein Stift, er malt und zeichnet, er rennt über das Papier, rennt über offene afrikanische Steppe am Rand eines Flusses auf dem Papierschiffe gleiten, die Leben in die Stadt am Horizont bringen, während die Sonne auf die Erde stiert, den Boden anbrennt, vielleicht weniger angenehm, aber ich male weiter, wechsel das Blatt, zerdrücke das alte, denn es fehlt die Zeit es jetzt zu sichern, mein Stift rennt, er kritzelt, skizziert ein neues Bild, ein Zimmer, ein kleines Zimmer, voller Leben und Nichts, die Wände übersäht mit Zeilen und Wissen, die bald geschrieben werden müssen, Bilder die noch gemalt werden müssen hängen in einer Reihe, zeigen, deuten mit dem Finger auf das eine Bild, doch der Stift wartet hier nicht, er hechelt, ist erschöpft, verbraucht, bleibt stehen und ich blicke auf.
Ich suche deinen Blick, doch ich kann ihn nicht finden. Der Platz auf dem du vor Wochen noch gesessen hast ist leer. Du bist schon gegangen. Du bist in die Stadt gefahren, hast ein Dach gefunden, eines das vor Regen schützt, ein kleines Haus, hast dich in der Menge verloren und das Bild sich in der Masse aufgeben lassen. Ohne Tinte sehe ich auf das Blatt, schwer von Bildern, reiße es langsam aus meinem Block, blicke auf die Uhr und stecke es ein.

Samstag, 3. November 2012

The RhymeMan #1 (Slam-Version)



 Ein Text für alle Batman-Fans, generell Fans von Superhelden, alle Nerds, alle Dichter und alle Menschen allgemein.

The RhymeMan #1
Professor Prosas Erwachen

In der großen Stadt bei Nacht
werden die Verbrecher platt gemacht
dort haust ein Mensch, schon fast ein Tier
Der an diesem Orte hier,
die ohne jede Schuld bewacht.
Nie sah man sein Gesicht,
Nicht in der Zeitung und im Fernsehen nicht
und doch hat jeder Gangster Schiss
Weiß er doch, dass er existiert,
der RHYMEMAN von Metropolis.

Und die nächsten fünf Minuten
handeln von dem Bösen, das dem Guten
stets die Stirn zu bieten hat,
von (genau) dem, der Rhymeman stets verneint,
ihm immer nur zu gerne gegenüber trat:
Professor Prosa, des Reimes ärgstem Feind.
Prosas düstrer Werdegang
begann, im Studium, es ist noch nicht so lang
her, da traf man ihn Tag für Tag, von acht bis acht
Im Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft.
Eines Tages dann an diesem Ort im Lyrikseminar,
wurd´s ihm plötzlich zu viel
bisher war er immer voller Eifer da,
doch diesmal war der Sitzung Ziel
moderne Populärkunst zu betrachten,
Ein Referat führte durch den Strassenslang
und als Beispiel brachten
die Referenten Haftbefehl, Savas und Farid Bang
Wie Prosa sich da echauffierte,
war seine Mutter doch ´ne ganz passabel situierte
und keineswegs die Prostituierte,
die man sie hier nannte in schnellen Turnus
Zwanzig Mal in der Minute und pro Strophe
und zehn Mal dann im Chorus.
Doch nicht nur davon war er tief verstört,
nein, Prosa war, ja regelrecht empört
und so er entschied, sich niemals mehr zu reimen, rief:
"Diese Reime sind ja uner... öhh... absolut nicht in Ordnung,
da mach ich nicht mehr mit!"
und Prosa schwor sich, den Reim an sich zu retten,
durch den Reimegenozid.


Die Jahre zogen schnell ins Land
und Prosa, der verbrach so allerhand,
doch das bleibt Platz für andere Geschichten,
heute will ich nur berichten,
wie unser Schurke ein Plakat entdeckte
dass zu so einem modernen Dichterwettstreit lud
und Prosa, der beim Wort „Dichter“ schon die Zähne bleckte
packte gleich die blanke Wut.
An besagtem Abend wollte er das Schauspiel
heimlich aus der Menge erst einmal betrachten,
quasi undercover merkte er, wie viel die Anwesenden lachten
und wie wenig Reime ihn dabei doch trizten
also begann er langsam den Abend zu genießen.
Doch dann, dann trat ein neuer Dichter an das Mikro ran
schmächtig, wuschelhaarig und allgemein eher ohne Plan
raschelte mit seinem Zettel und begann
seinen Vortrag mit des Professors unliebsten Geschwätz
"Also Reime sind ja völlig unterschätzt
ich wollte es mal wagen
dagegen zu klagen
also musst ihr jetzt leider
ein Gedicht von mir ertragen."
Prosa lies den Dichter seine erste Strophe noch beenden,
dann sprang er auf, rief
"Genug, genug, lassen wir es dabei bew.. ahh belassen"
Und überall verteilt erhoben sich wie auf ein Zeichen
zwanzig grobe Schlägertypen, die fast bis an die Decke reichten.
Unser armer Bühnendichter steht erstarrt
und Prosa lächelt düster, finster
Da bricht plötzlich und mit voller Wucht
etwas durch das Seitenfenster
und der Rhymeman, der betritt die Bühne
Ein Schock durchläuft die Hühnen-
haften Hohlgestalten, die der Professor Diener nennt,
da jeder einzelne von ihrem Schlag
diese Silhouette kennt.
Dem Rhymeman gehört dieses Profil
der Kraft des Guten, mit Klasse und mit Stil
ist er der eine, der diese Stadt noch retten kann
doch "psst", er setzt schon zu reden an.
"Ich bin Rhymeman
und ich habe der Welt geschworen
jedem Menschen beizustehen,
der spürt wie langsam, unaufhaltsam,
die lyrischen Kräfte ihm vergehen.
Außerdem bekämpfe ich Verbrechen,
gebe Hilflosen meinen Segen
aber nicht um meinen toten Dad zu rächen,
ich mach das nur der Coolness wegen.
Und wer bist du? Wer blickt mir hier ins Angesicht?“
„Professor Prosa bin ich, du Unterhosenwicht!
Aua, das hat sich gereimt!"
Und in diesem kurzen unachtsamen Moment
wird Prosa von einem Krampf ganz in Besitz genommen
und Rhymeman, klug wie er ist erkennt,
dass Prosa inzwischen Reime physisch auch nicht mehr bekommen.
Prosa hat an diesem Rückschlag schwer zu kauen
schnell weißt er seine Schergen an
Rhymeman erst mal kräftig zu verhauen.
Ein grobschlächtiger, riesenhafter Mann
bewegt sich auf den Helden zu
und dieser beginnt im Nu
mit seiner größten Stärke
perfekte Zeilen rezitieren aus des größten Autors, größten Werke:

Öhhm.. es tut mir Leid, ich kann das einfach nicht lesen
Aber es ist sich später jeder absolut sicher gewesen
dass es die allerschönsten Worte waren, die je ein Mensch sprach
voll purem Reim und reinem Metrum und ach
so voller Herz und Humor,
dass jeder sofort das erstere an diesen Klang verlor.

Hypnotisiert von den schönen Versen
wankt der Angreifer langsam und im Takt zurück
da verkeilt er sich mit der Ferse
an dem hier fehlenden Reim
und bricht sich das Genick.
Die anderen Schläger bekommen direkt ´ne nasse Hose
Rhymeman ist ganz offenbar Großmeister der Reimhypnose.
Auch Prosa ist dem Zauber voll und ganz erlegen
Naja, er wehrt sich zwar dagegen
doch die Poesie ist längst in seinem Hirn
und beginnt langsam damit sein Weltbild zu zerstören.
Und als letzte Tat, als allerletzten Schritt
macht auch sein Verstand einfach nicht mehr mit,
lässt Prosa allein und geht auf eine lange Reise
mit dem Versprechen zurückzukehren wenn man ihn ruft
in ungereimter Weise.
So endet dieses Kapitel der Geschichte des Rhymemans und Professor Prosa.
Der, der einmal ein Professor war
der wartet jetzt auf Heilung
in der geschlossenen Abteilung
vom Arkham Asylum.

Und die Moral von der Geschicht?
Nun, wer Reime hasst geht besser nicht
zu Veranstaltungen mit Poetry im Name,
denn ich weiß, das klingt total verrückt,
aber da hört man manchmal ein Gedicht.

Freitag, 27. Juli 2012

39,90

 Eine Homage an den Film 39,90 (99F im Original), der doch weniger bekannt ist, als ich dachte. Auf jeden Fall ist er zu empfehlen.


Ich

Ich bin durch Drogen-Regenbogen gerannt
habe alle unsere Traumstädte verbrannt
die Ruinen in den Limbus verbannt
und dann die Trümmer zerstört.
Ich habe alle Regeln gebrochen
mich dumm und dann nochmal dümmer gesoffen
mit Gott persönlich gesprochen
und ihm doch nicht zugehört.
So ein Leben zwischen Schnee und Sonnenschein
zwischen Nasenbluten und glücklich sein
ohne Bedeutung für das Wort "allein"
denn das heißt jetzt "frei von Gesellschaft"
So kreativ wie ein Meteor
schweb ich oben vorm Himmelstor
und nehme mir einfach alles vor
weil ich weiß, dass man hier oben eh alles schafft.
Und ich sage euch, dass alles käuflich ist
Die Liebe, die Erde, der Scheiß den du frisst
und denk dran, du bist was du pisst
und wenn es Blut ist, naja dann bist du vielleicht menschlich.
Doch ich nicht, ich bin Gott, ich erschaffe eure Welt
Ich, ja Ich, sage heute was euch morgen gefällt
und wenn ihr euch endlich kauft von all eurem Geld
dann sage ich was Neues und ihr seid doch nicht glücklich.

Du

Du, du kamst ohne Warnung
sahst harmlos aus, doch das war nur Tarnung.
Durch die Nase
direkt in den Kopf, das war normal
doch du, du trafst direkt ins Herz
jedes einzelne Mal
Mit jedem einzelnen Blick,
den du zu mir schickst,
mit jedem einzelnen Fick,
den ich von dir krieg
und dann warst du weg
und ich wusste nicht mehr wohin.
War nur verloren tief in mir drin
zwischen Pornographie
und Masturbation ohne Sinn.
Zwischen Apathie und dem der ich ohne dich bin.
Denn ohne dich bin ich leer,
bin eher weniger als mehr
und eher Spott als wie vor kurzem Gott.

Wir

Lass uns nach Las Vegas reisen
hemmungslos feiern und Pillen einschmeißen
bis wir durch Comic-Strips schweben
einen Scheiß auf die Menschen um uns rum geben,
denn welchen Schaden nimmt schon der Wagen
wenn wir einen nach den anderen Passanten überfahren
Also rasen wir weiter
und wir erschlaffen vor Lachen
als es schwarz um uns wird
und wir im Flugzeug erwachen
mit Blut auf den Hemden
von 20 Wildfremden,
die wir gerade getötet haben.
Doch wir kommen davon,
denn wer soll uns schon kriegen
so hoch wie wir fliegen,
sind wir eh in Paris bevor uns jemand sucht,
halten Meetings, gucken und an und lachen verrucht
bis die Polizei vor uns steht
und ich beginne zu rennen,
renne so schnell wie es geht
aufs Dach um an die Kante zu wanken.
Dann steh ich dort, mein Leben am schwanken
und denke: Happy Ends waren nie so mein Ding.
Und ich spring.
An mir vorbei zieht mein Leben und Luft voller Regen
und ich rase dem Boden entgegen.

Donnerstag, 28. Juni 2012

Schatten bei Nacht

Gedichte zum Thema Nacht, 1. Versuch:

Schatten bei Nacht

Der Wagen taucht ins Dunkel ein
Die Nacht lässt mich hinein
Laternen spenden schüchtern Licht
Die Schatten, sie verändern sich
und durch die Wolken seh ich Sterne blitzen
Nebel dringt durch schmale Ritzen
in den Seitenscheiben und er füllt den Fußraum weich
wie Watte und doch schlangengleich
umspielt er Beine

Und der Wagen taucht ins Dunkel ein
die Nacht zieht mich in sich hinein
Laternen spenden ängstlich Licht
die Schatten, sie verändern mich
und durch Wolken blinzeln Sterngestalten
Nebel drängt herein durch Fensterspalten
und er füllt den Raum mit Händen
die um meine Beine streifen
bevor sie nach meiner Kehle greifen

und der Wagen taucht ins Dunkel ein
die Nacht, sie saugt mich zu sich rein
Laternen fressen gierig Licht
die Schatten, sie bedrohen mich
die Sterne stieren durch die Wolkenrisse
Auf mir tummeln sich die Nebelegel, Nebelbisse
überziehen Geist und Körper
und die Nacht, sie zieht mich tiefer,
tiefer in das Nichts hinein.

Und das Auto reibt im Dunkel
ziellos ohne Sterngefunkel
suche ich verzweifelt Licht
als die Sonne durch die Straße bricht
und ihr Zorn durchtrennt die Nebelarme,
ziehrt voll Stolz die glühend warme
Lanze und befreit mich von den Fahlen
treibt sie raus aus meinem Blick
und der Wagen, er lässt hinter sich
die Schwärze und die Nacht zurück.

Montag, 11. Juni 2012

Rhein in Flammen

Eine komplett neue Version des Textes „Wie sie Köln vernichteten“ (http://seelenwanderer.blogspot.de/2012/03/wie-sie-koln-vernichten.html), der mir einfach nicht mehr gut gefiel. Natürlich braucht es einen neuen Titel, vorerst tut es allerdings der hier.

Rhein in Flammen

Ich liege auf dem Sofa und du in deinem Bett nebenan. Tja. Das war doch eigentlich alles ganz anders geplant, eigentlich wollten wir doch einen schönen Abend zusammen verbringen doch stattdessen streiten wir. Und von so Fragen wie der, wer cooler ist, Batman oder Ironman, ging es dann zu weniger sachlichen Themen und jetzt liege ich hier und höre das Schweigen unter dem Spalt deiner Tür durchsickern und sich langsam in der Wohnung ausbreiten. Und weil mir keine gesprochenen Wörter mehr einfallen nehme ich mir einen Stift und schreibe wie wir uns wieder vertragen könnten, jetzt und sofort. Tja... Ich glaube dazu braucht es mindestens eine kleinere Naturkatastrophe im Kölner Raum, so wie du eben geguckt hast als die Tür geknallt hat. Vielleicht im Stil von Pro7-Produktionen, so leicht trashig, ein bisschen sinnloser Sex und sinnlose Gewalt könnten gerade genau richtig sein. Ok, ich brauche einen Titel: Taifun - Der Untergang Kölns. Gefällt mir nicht. Zombies - Heute stirbt Köln - zweimal. Besser, vielleicht vertragen wir uns eher, wenn alle anderen Männer untot sind, obwohl du vermutlich immer noch sagen würdest, dass denen wenigstens ein Bart wächst (Ich verfluche dich, Robert Downey Jr.). Film ab: Ich liege auf dem Sofa und mysteriös spannende Musik setzt ein. Das Radio knistert, die Bässe werden noch etwas mysteriöser und eine Sonderdurchsage wird angekündigt. Eine ernste Stimme berichtet, dass ein mutierter Grippevirus auf einem Stück Hanf gewachsen ist und im Seuchenzentrum Köln-Mitte freigesetzt wurde. Infizierte Personen sind schmerzunempfindlich, sehr langsam und extrem hungrig, außerdem neigen sie zu irrem Lachen.
Deine Tür wird aufgerissen. Ja, ich hab´s auch gehört. Ja, wir sollten aus der Stadt verschwinden. Und einen Baseballschläger mitnehmen. Gut, das Letzte, das habe ich gesagt und nicht du.
Wir treten auf die Straße und das erste was wir hören ist ein irres Lachen, zum Glück aber etwas entfernt. Ca. 200 Meter entfernt schlurft einer der im Radio beschriebenen Gestalten auf uns zu. Zugegeben, er ist schon ziemlich langsam also mach ich mir nicht alzu große Sorgen. Da schreist du plötzlich auf und ich wirbel herum. 1 Meter hinter uns steht eine sabbernde Fratze des Grauens. Ich will dich beruhigen, doch du rennst schon los, in eine kleine Gasse rein, die frei von Untoten scheint. Als ich dir hinter her renne stehe ich vor der halb fertigen Kölner Groß-Moschee, dieser Mischung aus Hagio Sophia und Pokémon-Arena. Ich sehe gerade noch wie die Eingangstür sich langsam schließt. An den Mauern kratzen haarlose Zombies mit Bomberjacken und versuchen verzweifelt die Moschee auf zu fressen. Es gelingt ihnen eher minder gut, aber anscheinend ist Nazi-Gedankengut sehr resistent gegen totalen Gehirnverlust und Mutation zum Untoten. Die Tür fällt ins Schloss und von dem Knall aufgeschreckt, fangen die Zombies langsam an sich auf die Moschee zuzubewegen. Ich kann hier nun wirklich keine Nazi-Zombies dulden, aber mein Baseballschläger kommt mir angesichts der braunen Masse ziemlich lächerlich vor. Ich gucke mich um und sehe links in einem Garten einen alten Benzinrasenmäher stehen. Ich hebe den Rasenmäher vor meine Brust, er heult laut auf und der Gestank von Benzin erfüllt die Luft. Die Nazizombies wenden sich zu mir um und ich gehe langsam auf sie zu. Der erste von ihnen begeht den Fehler an mir schnuppern zu wollen, Vrooom, da ist er schon verschwunden. Meine Augen beginnen zu leuchten als ich die Anderen sehe. Das wollte ich schon immer mal mit Pro-Köln-Aktivisten machen. 5 sehr brutale Minuten später, die in dieser jugendfreien Version rausgeschnitten sind, stehe ich von oben bis unten mit Gedärmen bedeckt vor der Moschee. Meine Umgebung ist ein Schlachtfeld. Als ich klopfe und dir sage, dass alles gut ist und die Luft rein ist, kommst du raus und siehst dich um. In diesem Moment hoffe ich, dass du dich mal nicht über den Dreck beschwerst oder darüber wie ich wieder aussehe und tatsächlich streckst du mir nur wortlos einen Autoschlüssel entgegen und gehst mit blassem Gesicht an mir vorbei.
Cut. Man sieht 2 Zombies unter einer roten Ampel stehen und ziellos umher schlurfen und lachen. Ein Dröhnen unterbricht die Stille und sie drehen sich um, um einen heran rasenden Auto entgegen zu sehen. Das Auto rast mitten durch sie durch. Im Auto schreckst du hoch und murmelst etwas von roter Ampel. "Beruhig dich", sage ich, gefilmt von rechts unten, das soll wohl dein Blickfeld sein. "Rot steht für Fortschritt, also weiterfahren. Das hat was Politisches." Du lächelst. Zum ersten Mal seit wir das Haus verlassen haben, lächelst du. "Und grün?", fragst du, "steht das etwa für Umweltschutz und Motor abstellen?" "Ja, wieso auch nicht", denk ich mir. "Fehlt nur noch gelb. Tja... gelb. Das hat irgendwie mehr so gar keine Bedeutung. Die gelbe Phase ist ja auch immer recht kurz und deutet doch eh nur darauf hin, dass es bald rot oder grün wird." Dein Lächeln wird ein Grinsen und wir fahren weiter, fahren durch leblose, aber nicht reglose Straßen, während langsam der Morgen dämmert.
Cut. Wir halten auf einem Hügel, die Stadt ist gerade noch am Horizont zu erkennen. Während hinter ihr langsam die Sonne aufgeht, brausen Militärjets über unsere Köpfe hinweg. Kurz darauf ein Lichtblitz, dann sehen wir eine pilzförmige Wolke über Köln aufsteigen. „Auf Wiedersehen, Rowdy“, sagst du traurig, Rowdy ist dein Hund. „Auf Wiedersehen, Blue Shell“, murmel ich noch, dann steigen wir wieder ein und fahren weiter, die Sonne im Rücken, während langsames Akkustikgitarrengeklimper einsetzt. Wir sind tief erschöpft, aber immerhin am Leben.
Der Abspann rollt über den Bildschirm und ich liege auf der Couch, es ist echt nicht so gemütlich, aber ich denke daran was wir alles zusammen durchstehen würden und wie wir sogar mit Zombies fertig werden würden. Und dann stehe ich auf, gehe zu deinem Zimmer und klopfe an.

Mittwoch, 9. Mai 2012

Mantra


Raus. Weg. Stille. Schweigen
Rennen. Laufen. Stehen bleiben.
Ich habe keine Angst.
Ich habe keine Angst.
Ich habe keine Angst.

Heute wird alles anders. Heute wird alles anders. Heute werde ich reden, mit Menschen reden und jemanden kennen lernen. Heute werde ich nicht mehr hinten in der Ecke sitzen. Heute werden die Plätze neben mir nicht frei bleiben. Heute. Heute werde ich in die Welt lächeln. Und Heute wird die Welt zurück lächeln. Heute. Ich stehe auf, ziehe mich an und verlasse das Haus. Meine Gedanken kreisen.

Raus. Weg. Stille. Schweigen
Rennen. Laufen. Stehen bleiben.
Ich habe keine Angst.

Ich sitze im Seminar. Ich habe den Text gelesen. Ich weiß jede Antwort, aber ich sage nichts. Die Diskussion berührt mich nicht. Die Menschen neben mir, die sagen nicht einmal „Hallo“. Einmal hab ich sie gegrüßt, laut und deutlich. Ich musste mich lange konzentrieren dafür. Ich habe keine Angst. Ich habe keine Angst. Sie haben nicht geantwortet. Ihre Gesichter sind wie Steinwände. Ich sitze in einer Arena, leer ohne Zuschauer, ohne Ausgang. Wenn ich etwas sage, höre ich mein Echo. Es hallt wieder in meinem Kopf, den ganzen Rest des Tages. Hallo. Hallo. Hallo.

Raus. Weg. Stille. Schweigen
Rennen. Laufen. Stehen bleiben.
Ich habe keine Angst.
Ich habe keine Angst.

Der erste, der durch die Tür verschwindet am Ende bin ich. Schnell weg. Raus. Weg. Laufen. Ich verlasse die Arena, die kalten Wände, die Steinfratzen. Ich bin frei. In 15 Minuten Vorlesung, Ich kann Menschen zuhören. Sie unterhalten sich über das Wochenende. Sie waren auf Parties. Auf Konzerten. Auf Poetry Slams. Ich war Zuhause. Ich habe gelesen. Mich hat niemand angerufen, ich habe kaum Nummern im Telefonspeicher. Ein paar Referatspartner denen ich zugeteilt wurde. Niemand wollte, ich habe einfach zufällig neben ihnen gesessen. Ich höre einfach den Menschen um mich rum zu. Das ist ein Anfang. Stelle mir vor, sie würden mit mir reden. Ein Anfang. Immerhin. In meinem Kopf sage ich auf:

Raus. Weg. Stille. Schweigen
Rennen. Laufen. Stehen bleiben.
Ich habe keine Angst.
Ich habe keine Angst.
Ich habe keine Angst.

Ich erinnere mich als das Studium anfing. An die Hoffnungen. Alles hinter sich zu lassen, neu anfangen, die Schule vergessen, die letzte Reihe ganz am Rand. Nichts war anders. In den ersten Vorlesungen habe ich Leute kennen gelernt, die ich doch nie wieder gesehen habe. Das Lebendige am Campus ist für mich das Moos in den Ritzen der Steinwände. Die Gespräche der Anderen.

Raus. Weg. Stille. Schweigen
Rennen. Laufen. Stehen bleiben.
Ich...

Ich gehe nach Hause. Heute habe ich nicht geredet. Kein Wort. Ich liege im Bett. Morgen wird alles anders. Morgen wird alles anders. Morgen werde ich mit ihnen reden. Morgen werde ich wieder in die Welt lächeln und diesmal wird die Welt zurück lächeln. Morgen.

Raus. Weg. Stille. Schweigen.


Dienstag, 24. April 2012

Wucherlyrik

Ein Gedicht in 4 Teilen, seit einer Woche in Arbeit, jetzt bereit für die Öffentlichkeit.


1)
Ein weiser Mann, der schrieb einmal
"Die ganze Welt ist Bühne."
Und egal ob Hunger, Lust und tiefe Qual
egal ob falsche Reue oder echte Sühne

alles ist nur Spiel,
das Publikum sind wir.
Jeder hält von sich zu viel
und spielt im jetzt und hier

seiner Welt den großen Star
natürlich traurig, aber völlig rein.
Denn nur wer vorher tragisch war
kann irgendwann auch edel sein.

2)
Wir alle sind Antigone,
die Götter raffen uns hinweg
Und ach, wir sind doch schwach wie eh und je
und Widerstand hat wenig Zweck.

denn was bringt die Freiheit
froh zu leben
was die Freizeit
noch mehr neben

Lebewesen zu erleben,
wenn die uns doch auch nichts geben?
Wesen, die wir Menschen nennen
wo wir sie doch gar nicht kennen
über die wir wagen auszusagen
dass wir viel gemeinsam haben
obwohl es doch immer nur das Menschsein gab,
das uns verband, doch entschuldige,
ich schweife ab.

Zurück zu Form und Maß,
denn jedes Schulkind weiß,
die Lyrik, die ist nicht zum Spaß,
nein, Lyrik das ist ernster Stoff

3)
Der Autor unsres Lebens schreibt
uns ohnehin den Todeskuss.
Doch solang unser Monolog erhalten bleibt
stören wir uns nicht alzu sehr am Schluss

egal wie aufgezwungen
er auch sein mag,
es wird sich durchgerungen
bis zum letzten Tag,

an dem wir noch die Bühne zieren,
denn was wir fürchten zu verlieren,
das sind nicht wir selbst,
es ist die Prägung,
die wir in die Menschen drücken,
ob wir sie schocken, ob entzücken,
Einfluss heißt das Zauberwort an diesem Ort,
der Bühne unsres Alltagslebens.
Dort stehen wir vor Publikum
und ich rede mich in Rage,
ich denk ich komm zum Schluss
und sag noch was ich sagen muss,
bevor ich weiter schweife und verwirre
mich ab vom Pfad der Form im Wald verirre
Doch Reime können halt nicht alles halten,
was ich sagen wollt und ich meine diese Form,
die wird ja auch überschätzt
und steht oft genug im Weg,
Ich mein es gibt ja Wörter auf die sich gar nichts reimt,
so wie Löffel zum Beispiel.
Oder Wörter die man einfach nie in Gedichte einbauen kann,
wie Absorbtionskoeffizient, ich mein wie unrhythmisch ist das denn?
Naja egal, ein letztes Mal noch Disziplin für den 4. Teil,
Ich muss mein Gedicht schließlich noch zuende bringen.

4)
Ich komm zum Schluss,
erinnert euch, es ging um Bühne, Leben
Gott und Freiheit und im letzten Teil
kommt noch das Ende, weil es endlich kommen muss.

Ihr sagt allen, dass ihr tragisch seid,
schuldlos schuldig, edel und voll Leid
und dass euer Leben fremdgelenkt
ist, doch so habt ihr es viel zu leicht verschenkt.

Denn ich, ich sage "Halt, Moment,
Mein Leben, das gehört doch mir."
Und auch wenn ich hier keinen
und mich hier keiner kennt
so sag ich jedem Einzelnen hier
so ist es auch bei dir.